Akzeptanz von Robotik in der Pflege

Seit Beginn des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts NIKA (Nutzerzentrierte Interaktionsgestaltung für kontextsensitive und akzeptable Roboter) ist die Diskussion um den Einsatz von Robotern in der Pflege lauter geworden: Der drängende Personalmangel ist nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Untersucht wurde, wie Roboter aussehen müssen, damit sie von älteren Menschen akzeptiert werden. Weiterhin, wie sie sich verhalten und wie sie Emotionen zum Ausdruck bringen sollen. Als Ergebnis ist ein Repertoire an Verhaltensweisen entstanden, mit dem künftig soziale Roboter für den Einsatz in der Pflege programmiert werden können.

Die Forschungspartner begannen unter der Koordination des Wohlfahrtswerks für Baden-Württemberg zunächst die Wirkung der Gestalt von Robotern zu untersuchen. Dazu wurden den Bewohnerinnen und Bewohnern des Wohn- und Pflegezentrums Flugfeld in Böblingen die drei Grundtypen – menschenähnliche, tierähnliche und abstrakt aussehende robotische Systeme – vorgestellt. Die Präferenz fiel eindeutig auf den humanoiden Roboter „Pepper“. Als „sozialer Roboter“ ist er mit „Künstlicher Intelligenz“ (KI) und Sensorik ausgestattet und in der Lage, mit Menschen in Echtzeit zu kommunizieren.

Zu angemessenem Verhalten finden

Für diesen Robotertyp entwickelte das Forscherteam zwei verschiedene Spiele: Scharade, bei dem ein Wort durch Körperbewegung dargestellt wird und vom Gegenüber erraten werden muss, sowie ein Quiz, das unter Berücksichtigung ihrer Biografie und Lebenswelt auf die persönlichen Bedürfnisse und Wünsche der Nutzenden zugeschnitten werden kann. Beispielsweise können Angehörige Fotos hochladen oder Fragen mit einem Bezug zum Spielenden eingeben, um gezielt Erinnerungen zu aktivieren. Entscheidend für eine gelungene Interaktion zwischen Mensch und Maschine: Der Roboter muss sich in seiner Rolle als Moderator oder Mitspieler passend verhalten und Emotionen zum Ausdruck bringen. „Die teilnehmenden Bewohner wünschten sich Abwechslung in den Reaktionen und angemessene Emotionen. Ein Roboter sollte auf unterschiedliche Art motivieren und auch mal ein Späßchen machen“, erklärt Tibor Vetter, beim Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg verantwortlich für das Projekt.

Die Herausforderung für das Team bestand darin, die Interaktionssituationen und die zugeordneten Reaktionen exakt zu definieren. Aus den Ergebnissen der Entwicklung und praktischen Überprüfung ist ein ganzes Repertoire an verbalen und gebärdenhaften Verhaltensweisen („Pattern-Wiki“) entstanden, das künftig als universelle Sprache zwischen Mensch und Roboter zur Verfügung steht.

Wie wurde evaluiert

In der Vorstudie wurde die als „User Experience Concept Exploration“ bekannte Methode angewendet, um Informationen darüber zu sammeln, welche Erwartungen ältere Menschen an das Aussehen und Verhalten eines Roboters stellen. Bedingt durch die Corona-Pandemie musste dazu ein kontaktloser Weg gefunden werden – ein Vorteil dieser Methode. Mit Fragebögen und anhand von Tagebucheinträgen wurden die Rückmeldungen der Teilnehmenden gesammelt und ausgewertet. Dabei war Kreativität gefragt: Robotermodelle wurden mit Knete geformt oder als WG-Mitbewohner mit idealen Eigenschaften beschrieben. Auch zu den Quizfragen und möglichen Verhaltensweisen gaben die Studienteilnehmer ihre Rückmeldungen.

In der Hauptstudie ging das Projektkonsortium der Frage nach, ob ein reibungsloser Einsatz des Roboters und die Durchführung der Spiele nach heutigem Stand in der Praxis möglich ist. Zu vier Terminen im Jahr 2021 besuchte das Team die jeweils bis zu 15 Probanden aus dem Betreuten Wohnen des Wohn- und Pflegezentrums Flugfeld. Vor dem Kontakt mit dem Roboter wurde ein Fragebogen ausgefüllt, ein zweiter nach dem Test, bei dem das Quiz gelöst oder Scharade gespielt wurde. „Wir konnten daraus ableiten, ob sich die Erwartungen der Probanden an den Umgang mit dem Roboter bestätigt haben“, beschreibt Tibor Vetter den Erkenntnisgewinn.

Für die Betreuung geeignet

Ein Ziel des Projekts lag in der Definition von geeigneten Einsatzfeldern für soziale Roboter. „Wir sehen die Vorteile insbesondere beim Einsatz zur Aktivierung und Unterhaltung im Rahmen der Betreuung“, erklärt Tibor Vetter. Die teilnehmenden Bewohner fanden Pepper geeignet, um Einsamkeit entgegen zu wirken und um ihr Gedächtnis zu trainieren. Das Bedürfnis nach Gesellschaft und Kommunikation wurde durch die gemeinsame Zeit mit dem Roboter befriedigt. Sie führten als positiv an, dass mit dem Roboter immer jemand zum Spielen da ist. Apathie entgegenzuwirken und ältere Menschen zu körperlicher und geistiger Aktivität anzuregen, könnte somit zumindest ein Stück weit auch durch Roboter unterstützt werden. Im Rahmen des Praxistests beobachtete das Forschungsteam auch systematisch das Verhalten der Bewohner: Sie waren konzentriert beim Spiel und zeigten positive Emotionen.

An den Grenzen arbeiten

Natürlich sind den Kommunikationsfähigkeiten eines Roboters Grenzen gesetzt – er soll und kann das Gespräch und menschliche Zuwendung nicht ersetzen. Bis es soweit ist, dass Roboter mit Menschen zum Beispiel komplexere Dialoge führen können, um für den Nutzer empathischer und glaubwürdiger zu wirken, werden noch viele weitere Forschungsprojekte nötig sein. Weiter bearbeitet werden muss auch ein anderes Aufgabengebiet, nämlich die Bedienung des Roboters: Sehschwächen erschweren die Nutzung des eingebauten Bildschirms. Auch bei Arthrose lässt sich ein berührungsempfindliches Display nur eingeschränkt bedienen. Die alternativ vorhandene Sprachsteuerung kann bei Sprachschwierigkeiten zum Stolperstein werden. Eine Lösung dafür liegt in der Integration weiterer Sprachen und einer Übersetzungsfunktion. Im Rahmen weiterer Projekte müssen darüber hinaus Fragestellungen zu den Themen Datenschutz, Haftungsrecht und Finanzierung geklärt werden, um den Einsatz von Robotern praxistauglich zu machen.


Das Projekt:

NIKA (kurz für „Nutzerzentrierte Interaktionsgestaltung für Kontextsensitive und Akzeptanzfördernde Roboter“) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunktes „Roboter für Assistenzfunktionen: Interaktionsstrategien“ über drei Jahre gefördert. Das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg koordinierte das Verbundprojekt, an dem vier weitere Partner beteiligt waren. Weitere Infos zum Projekt finden Sie auf der Homepage des Bundesforschungsministeriums.

 
Die Projektpartner:
 


Projektlaufzeit

Juni 2018 bis Dezember 2021


Projektvolumen

1,79 Millionen Euro (davon 88 Prozent Förderanteil durch BMBF)
 

Kontakt:

Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg
Sonja John
Leitung Unternehmenskommunikation
Telefon:         (0711) 61926-104
E-Mail:          sonja.john@wohlfahrtswerk.de
Internet:         www.wohlfahrtswerk.de

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Sonja John

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